Briefing
Wichtige Rechts- und Vertragsthemen für die Immobilienwirtschaft (23. März 2020)
Die Corona-Krise erfasst unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben wie keine andere Krise, die wir bisher erlebt haben. Dies hat vor allem medizinische Folgen, betrifft aber auch in hohem Maße unser Wirtschaftsleben – und damit zugleich die Immobilienwirtschaft. Wir wollen Ihnen einen Überblick über die für die Immobilienwirtschaft wichtigsten Rechts- und Vertragsthemen geben. Das umfasst nicht nur die heutige Rechtslage, sondern auch unmittelbar geplante Änderungen. Die Bundesregierung beabsichtigt nämlich, am Mittwochabend ein umfassendes Gesetz vom Bundestag beschließen zu lassen, das weitreichende Änderungen in der Insolvenzordnung, im Zivilrecht und in vielen anderen Bereichen bewirken wird; die Auswirkungen werden hier ebenfalls angesprochen. Wenn Sie, aus allgemeinem Interesse oder weil Ihre Projekte (leider) dazu Anlass bieten, mit uns zu diesen Themen sprechen möchtet, melden Sie sich gern. Wir sind für Sie da!
1. Mietminderung
Die Frage, ob durch Corona bedingte Nutzungseinschränkungen dem Mieter das Recht geben, seine Miete zu mindern, ist in den letzten Tagen von unterschiedlicher Seite beantwortet worden. Zwar sprechen gewichtige Gründe dafür, dass im Grundsatz keine Minderung berechtigt ist. Dies wird aber nicht einheitlich gesehen. Es kommt sehr auf den Einzelfall an. Denn in jedem Fall gilt, dass spezielle vertragliche Regelungen den gesetzlichen Bestimmungen vor gehen.
Mit Blick auf eine mögliche Mietminderung ist daher die Analyse des Mietvertrages von zentraler Bedeutung. Besonderes Augenmerk ist (i) auf den konkret vereinbarten Nutzungszweck und (ii) die Verantwortlichkeiten für die Einhaltung behördlicher Auflagen zu legen. Nur wenn der Mietvertrag zu diesen Punkten schweigt, greifen insofern die gesetzlichen Regelungen.
Kurz zu diesen gesetzlichen Regelungen: § 536 Abs. 1 BGB befreit den Mieter von der Pflicht zur Mietzahlung, soweit die vermietete Sache einen Mangel hat, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Ein Mangel im mietrechtlichen Sinne liegt jedoch nur vor, wenn die Beschränkungen auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen (objektbezogene Umstände) und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters liegen (personen- oder betriebsbedingte Umstände). Die Rechtslage ist nicht eindeutig für solche Mängel, die weder auf objektbezogenen noch auf personen- oder betriebsbedingten Umständen beruhen – wie z.B. eine Corona-bedingte Nutzungsuntersagung für Gaststätten oder Läden oder eine allgemeine Ausgangssperre. Vieles spricht aber dafür, die Mehrzahl der Corona-bedingten Einschränkungen nicht als einen zur Minderung berechtigenden Mangel aufzufassen.
Im Ergebnis ist also zunächst der Mietvertrag zu analysieren, und nur hilfsweise das Gesetz anzuwenden, dessen Aussagen in dieser Hinsicht eher vermieterfreundlich sind; dies ist aber anhand der konkreten Nutzungseinschränkung im Einzelfall zu überprüfen. Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise sieht diesbezüglich keine Änderung vor (siehe aber unten Ziff. 3 zur Frage der Kündigung wegen Verzugs mit der Mietzahlung).
2. Bauverzögerung
Bei Bauverträgen (und Forward-Deals, also Kaufverträgen über Projektentwicklungen) stellt sich die Frage, ob Corona-bedingte Verzögerungen die Lieferfristen verlängern. Bei Verträgen, die auf der Grundlage der VOB/B geschlossen wurden (oder insoweit auf die VOB/B verweisen), können Corona-bedingte Verzögerungen als „höhere Gewalt“ zu qualifizieren sein und beispielsweise gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/B zu einer Verlängerung von Ausführungsfristen führen.
Unter höherer Gewalt im vorstehenden Sinne ist nach gängiger Rechtsprechung ein von außen auf den Betrieb einwirkendes Ereignis zu verstehen, das selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens nicht abgewendet werden kann und nicht wegen seiner Häufigkeit von dem Betriebsunternehmer in Rechnung zu stellen und mit in Kauf zu nehmen ist. Ob bei Corona-bedingten Verzögerungen höhere Gewalt vorliegt, hängt von den Details ab:
So hat ein Bauunternehmer einen bestimmten Krankenstand, der beispielsweise durch eine Influenza verursacht wird, einzukalkulieren und in Kauf zu nehmen. Höhere Gewalt des durch Corona verursachten Ausfalls von Arbeitern wäre nur dann anzunehmen, wenn dieser das übliche Maß an Fehlzeiten übersteigt; vereinzelte Infizierungen mit dem Corona-Virus sind daher nicht ausreichend. Höhere Gewalt dürfte indes bei weitgehenden Quarantänemaßnahmen zu bejahen sein, und sicherlich auch bei weitreichenden Ausgangssperren; hingegen wohl nicht bei vorsorglicher Rückreise von Arbeitern in ihre Heimatländer, z.B. aus Angst vor Infektionen oder Grenzschließungen.
Bei Verzögerungen des Baufortschritts aufgrund fehlenden Baumaterials ist zu differenzieren. Sollte es zu Beschaffungsschwierigkeiten von Baumaterialien aufgrund extremer Preissteigerungen kommen, ist kein Fall höherer Gewalt anzunehmen, da der Unternehmer das Beschaffungsrisiko trägt. Anders verhält es sich bei einem Lieferengpass, der auch nicht durch den Erwerb teureren Materials behoben werden kann.
In Verträgen, die nicht auf die VOB/B Bezug nehmen, sieht die Rechtslage nach dem BGB bisher für den Bauunternehmer bzw. den Verkäufer einer Projektentwicklung weniger günstig aus, wenn nicht der Vertrag konkret etwas anderes vorsieht. Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise sieht diesbezüglich jedoch eine allgemeine, auch für Bauverträge und Kaufverträge geltende Regelung vor, derzufolge der Schuldner (also z.B. der Bauunternehmer, oder – bei Forward-Deals – der Verkäufer) ein Recht zur Verweigerung der Leistung hat, wenn „der Schuldner infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (SARS-CoV-2-Virus-Pandemie) zurückzuführen sind,
(i) die Leistung nicht erbringen kann oder
(ii) die Erbringung der Leistung nicht möglich wäre ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhaltes [...] oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebes.“
Dieses Leistungsverweigerungsrecht ist nach dem Gesetzentwurf nur dann wiederum ausgeschlossen, wenn es für den Gläubiger „unzumutbar“ ist (was eine hohe Hürde bedeutet).
3. Mietvertragskündigung
Zu den Grundregeln des Mietrechts gehört, dass der Vermieter den Mietvertrag kündigen kann, wenn der Mieter mit zwei Monatsmieten in Verzug ist (§ 543 BGB). Es ist unklar, ob der Gesetzgeber diesen Grundsatz außer Kraft setzen wird. Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise sieht jedenfalls vor, dass die Kündigung ausgeschlossen sein soll, „soweit der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. September 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet und die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.“ Dabei soll der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung vermutet werden; um eine Kündigung aussprechen zu können, soll der Vermieter also die Beweislast dafür tragen, dass der Zahlungsausfall nicht im Zusammenhang mit Corona steht. Ein solcher Beweis wird schwer zu führen sein.
4. Insolvenzantragsfrist
Das Bundesministerium der Justiz arbeitet mit dem genannten Gesetzentwurf an einer vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und an einer Regelung zur Erleichterung von Finanzierungen in der Krise.
Durch die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll vermieden werden, dass von der Covid-19-Pandemie betroffene Unternehmen Insolvenzantrag stellen müssen. Es wird erwartet, dass eine Aussetzung nur dann Anwendung findet, wenn die Insolvenzreife auf der Covid-19-Pandemie beruht und Sanierungsaussichten bestehen.
Der Bundesgesetzgeber erwägt ferner Regelungen zur Erleichterung von Finanzierungen in der Krise. Zum einen sollen Anreize für finanzstarke Gesellschafter geschaffen werden, dem Unternehmen in der Krise Finanzmittel zukommen zu lassen. Aktuell sind Gesellschafterdarlehen in einer nachfolgenden Insolvenz nachrangig gegenüber den sonstigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Es wird erwartet, dass diese Regelung ebenfalls vorübergehend außer Kraft gesetzt wird. Die Forderung des Gesellschafters auf Rückzahlung des Darlehens hätte in einer möglichen späteren Insolvenz der Tochtergesellschaft demnach denselben Rang wie beispielsweise die Forderung einer Bank, eines Mieters, eines Bauunternehmens etc.
Ferner könnte das Haftungsregime für Krisenfinanzierungen vorübergehend ausgesetzt werden. Gewähren Finanzierer einer Gesellschaft in der Krise Kredit, der nicht ausreicht, um den Turnaround zu schaffen und eine Insolvenz vielmehr hinauszögert, setzen sie sich einer Haftungsgefahr aus. Zudem können etwaige Sicherheitenbestellungen unwirksam oder anfechtbar sein. Diese Risiken werden üblicherweise durch die Erstellung eines Sanierungsgutachtens vermieden. Da in der aktuellen Phase zum einen keine ausreichende Zeit und zum anderen keine ausreichende Planungssicherheit zur Erstellung eines solchen Sanierungsgutachtens besteht, könnte das Haftungsregime zur Förderung der Krisenfinanzierung ausgesetzt werden.
5. Steuerzahlungen
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine "erhebliche Härte" für den Steuerschuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint (§ 222 AO). Die Finanzbehörden wurden angewiesen, in der aktuellen Krise keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 19. März 2020 klargestellt, dass die Berechtigung zur "erleichterten Stundung" von Steuern aufgrund der aktuellen Krise voraussetzt, dass der Steuerpflichtige "nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen" ist. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nach den einschlägigen Schreiben der Finanzverwaltung zudem auch auf die übliche Erhebung von Stundungszinsen (6% p.a.) verzichtet werden.
6. Finanzierungen
Immobilienfinanzierungen enthalten neben den üblichen Kündigungsgründen klassischer Weise auch Finanzkennzahlen, die vom Kreditnehmer eingehalten werden müssen, sowie andere Verpflichtungen der Bank gegenüber. Dies ist ein weites Feld, und in den meisten Fällen schlägt die aktuelle Krise an verschiedenen Stellen im Vertragswerk zu Buche. Generell stehen der sog. “Material Adverse Effect” und die Finanzkennzahlen (rück- und/oder vorwärtsblickend) im Mittelpunkt der Analyse, im schlimmsten Fall ein Engpass beim Schuldendienst oder gar die Insolvenz. Je nach Asset-Klasse können aber auch die sog. “Property Undertakings” betroffen sein, in denen sich der Vermieter z.B. verpflichtet, Mietverträge nicht ohne Zustimmung der Bank zu ändern und seine Rechte dem Mieter gegenüber durchzusetzen. Hier gibt es eine ganze Reihe von möglichen Problemen, die adressiert werden müssen. Eine Neuverhandlung mit der Bank ist daher in den meisten Fällen recht wahrscheinlich, um eine Kündigung zu vermeiden und um sicherzustellen, dass Kreditengagements, die noch nicht ausgezahlt worden sind, weiterhin verfügbar bleiben. Hier gibt es verschiedene Strategien, deren frühzeitige Analyse auf Basis eines neu geordneten Business Plan essentiell für eine erfolgreiche Gesamtlösung ist.
Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise sieht nun vor, dass unter bestehenden Darlehensverträgen, die vor dem 8. März diesen Jahres abgeschlossen wurden, Ansprüche auf Zins, Tilgung und Rückzahlung bis zum 30. September gestundet werden, wenn “der Darlehensnehmer aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist ihm die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn (i) sein angemessener Lebensunterhalt […] oder(ii) die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebes gefährdet ist.“ Wie beim Verbot der Kündigung von Mietverhältnissen wird der Zusammenhang zwischen den Einnahmeausfällen und der Corona-Krise vermutet. Der Stundungszeitraum kann, laut Vorschlag, vom Gesetzgeber verlängert werden, sofern die Pandemie andauert.
7. Geschäftsleitung in Luxemburg oder in den Niederlanden
Zahlreiche Immobiliengesellschaften mit deutschem Grundbesitz sind in Luxemburg oder in den Niederlanden steueransässig. Dies setzt voraus, dass die geschäftliche Oberleitung der Immobiliengesellschaft auch tatsächlich in Luxemburg bzw. den Niederlanden angesiedelt ist. Sofern die Geschäftsführer nicht in Luxemburg bzw. den Niederlanden wohnen, erfordert dies eine regelmäßige Reisetätigkeit, die aufgrund der derzeitigen Grenzschließungen nicht ohne Weiteres möglich ist. Bei einer allgemeinen Ausgangssperre verschärft sich das Problem. Bei geschäftsleitenden Maßnahmen außerhalb des Landes der steuerlichen Ansässigkeit ist Vorsicht geboten.
8. Finanzierungen in der Krise
In der Krise ist es häufig erforderlich, neue Finanzierungen aufzunehmen. Hierbei sind die allgemeinen steuerlichen Rahmenbedingungen zu bedenken. Zu nennen sind hier z.B., dass zinsfrei gestellte Verbindlichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen ertragswirksam abzuzinsen sind, eine Erweiterung der Fremdfinanzierung Auswirkungen unter der Zinsschranke (z.B. auf die EUR 3 Mio. Grenze) haben kann und im Rahmen von Finanzierungen oder der Sicherheitenbestellung innerhalb verbundener Gesellschaften ein steuerlich entstehender Verlust ggf. nach § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG nicht abzugsfähig ist.
9. Gewinnabführungsverträge
Viele Immobiliengesellschaften befinden sich über einen Gewinnabführungsvertrag angebunden in einer ertragsteuerlichen Organschaft. Gerade in der Krise stellt sich häufig das Problem, dass sich auf Ebene der Organgesellschaft ein erheblicher Verlust ergibt, der unter dem Gewinnabführungsvertrag auszugleichen ist. Die üblicherweise gelebte Praxis, die Verlustausgleichsverpflichtung der Muttergesellschaft im Rahmen einer Novation durch eine Darlehensforderung der Organgesellschaft auszugleichen bzw. zu ersetzen, ist steuerlich nur dann anerkannt, wenn die Muttergesellschaft finanziell in der Lage gewesen wäre, den Anspruch auch tatsächlich zu erfüllen. Dies ist gerade in Krisenzeiten kritisch und besonders zu prüfen.