Briefing
Die Auswirkungen des COVID-19 auf das Arbeitsverhältnis – welche Rechte und Pflichten die Parteien treffen
Das Coronavirus hat Europa erreicht und zumindest Italien bereits fest im Griff. Auch in Deutschland werden zunehmend neue Fälle bekannt und eine Pandemie ist nicht mehr ausgeschlossen. Sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer stellen sich nun viele Fragen zum Umgang mit der Infektionskrankheit. Was kann ein Arbeitgeber tun, um seine Mitarbeiter zu schützen und die Krankheitsausfälle zu kompensieren? Muss er gegebenenfalls dem Arbeitnehmer Home-Office genehmigen? Wie sieht es mit dem Anspruch auf Lohnfortzahlung aus, wenn man krank ist, oder auch nur (potentiell) infiziert? Zu diesen „allgemeinen“ Problemen kommt noch erschwerend hinzu, dass bei einem massiven Anstieg der Infizierten Sperrzonen eingerichtet werden könnten. Und was dann…?
Besteht eine Arbeitspflicht der Arbeitnehmer?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Ansteckungsgefahr mit Infektionskrankheiten zum allgemeinen Lebensrisiko eines jeden Arbeitnehmers gehört. Nichts anderes gilt im Fall des Coronavirus. In concreto heißt das, dass der gesunde Arbeitnehmer weiterhin zur Arbeit erscheinen muss und kein Recht auf Home-Office hat. Die Angst vor einer Ansteckung ist kein valider Grund für ein Fernbleiben. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn behördlich Warnungen vor der Nutzung inländischer öffentlicher Verkehrsmittel ausgesprochen würde. Das sogenannte Wegerisiko liegt beim Arbeitnehmer. Erscheint er aufgrund der Angst vor einer Ansteckung nicht im zur Arbeit, besteht grundsätzlich auch kein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Betreuungsbedarfs der eigenen Kinder zu Hause bleiben muss. Dieser Betreuungsbedarf entsteht, wenn entweder das eigene Kind erkrankt, oder die Schulen oder Betreuungsstätten wegen des Virus geschlossen werden. In diesem Fall kann ein persönliches Leistungshindernis für den Arbeitnehmer bestehen das er nicht zu vertreten hat. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer eine anderweitige Betreuung der Kinder (z.B. durch den anderen Elternteil, Verwandtschaft oder eine private Kinderbetreuung) nicht gewährleisten kann und es ihm aufgrund der Kinderbetreuung auch unmöglich ist, seine Tätigkeit von zuhause zu verrichten. Er kann dann die Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB verlangen. Eine Pflicht unter berufstätigen Eltern sich mit der Betreuung gegenseitig abzuwechseln, besteht zwar nicht. Allerdings ist zu beachten, dass der Anspruch aus § 616 BGB nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit besteht. Problematisch ist insoweit ferner, dass ohne konkretisierende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen eine genaue Bestimmung der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ kaum sicher prognostizierbar ist. Insbesondere wurde eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen zum Kinderkrankengeld (10 Tage bzw. 20 Tage bei Alleinerziehenden) bislang als zu weitgehend erachtet.
Ungeklärt ist die Frage, ob Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit auch von zu Hause aus verrichten könnten (ohne hierauf einen arbeitsvertraglichen Anspruch zu haben) die Tätigkeit vom Home Office aus verlangen können. Jedenfalls, wenn dies ohne größere Störungen im Betriebsablauf des Arbeitgebers möglich ist, spricht einiges dafür, dass der Arbeitgeber jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem auch vor Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln öffentlich gewarnt wird, aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten ist, eine Tätigkeit von zu Hause zu ermöglichen.
Hat ein Arbeitnehmer in einem Sperrgebiet Anspruch auf Vergütung?
Wenn der Arbeitnehmer in einem abgesperrten Bereich wohnt, ist es ihm offensichtlich unmöglich zur Arbeit zu erscheinen. Da der Arbeitnehmer aber das Wegerisiko trägt, würde dies grundsätzlich zu einem Verlust des Vergütungsanspruches führen. Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG, der zunächst vom Arbeitgeber zu erfüllen ist und diesem durch die öffentlichen Stellen erstattet wird, dürfte durch die bloße Tatsache, sich in einem Sperrgebiet aufzuhalten, nicht existieren. Der Entschädigungsanspruch besteht nur soweit ein Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG verhängt wurde, nicht jedoch bereits dann, wenn aufgrund behördlicher Maßnahmen der Weg zur Arbeitsstätte unmöglich geworden ist. In Frage kommt in diesem Fall wiederum ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 616 BGB, wobei sich auch hier in jedem Einzelfall die Frage stellt, nach welchem Zeitraum die Vergütungspflicht des Arbeitgebers endet.
…und wenn der Betrieb in einer solchen Sperrzone liegt und daher geschlossen wird?
Im umgekehrten Fall, dass der Betrieb vorübergehend aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen werden muss, weil er sich in einem abgesperrten Gebiet befindet, fällt das unter das Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Er muss seinen Mitarbeitern weiterhin den Lohn zahlen.
Was kann der Arbeitgeber in einem solchen Fall unternehmen?
Der Arbeitgeber kann unter Umständen Kurzarbeit anordnen. Darunter versteht man die vorübergehende Verringerung von Arbeitszeit und die dementsprechende Kürzung des Entgeltanspruchs. Hierfür bedarf es zunächst einer Rechtsgrundlage wie einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer Änderungskündigung oder eines individuellen Änderungsvertrags. Hinzu kommt in Betrieben mit einem Betriebsrat die Zustimmung des Betriebsrates. Auch im Fall von kleinen Betrieben ohne Betriebsrat kann Kurzarbeit nicht einseitig angeordnet werden, sondern bedarf der Zustimmung der Arbeitnehmer.
Alternativ erscheint es ebenfalls zulässig, einseitig für die Zeit der erzwungenen Schließung Urlaub oder den Abbau von Überstunden anzuordnen.
Muss der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über eine Corona-Virusinfektion informieren?
Auch wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich nur zur Abgabe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne die Angabe des Krankheitsgrundes verpflichtet ist, besteht bei einer Infektion oder dem Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus eine entsprechende Offenbarungspflicht. Bei einer Infektionskrankheit wie dem Coronavirus, hat der Arbeitgeber nämlich ein berechtigtes Interesse daran den Grund der Krankheit zu erfahren, um geeignete Maßnahmen zum Schutz der übrigen Belegschaft zu ergreifen, wie bspw. die Desinfektion des Arbeitsplatzes des Erkrankten.
Den Arbeitnehmer trifft hingegen keine allgemeine Untersuchungspflicht, ob er mit dem Virus infiziert ist. Selbst wenn er aus einem Risikogebiet zurückkehrt, besteht eine solche Pflicht, sofern keine Symptome existieren, nicht. Dem Arbeitgeber steht es zum Schutz der anderen Mitarbeiter aber zu, den betreffenden Arbeitnehmer für einige Tage freizustellen.
Hat die Ausnahmesituation Auswirkungen auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers?
Dem Arbeitgeber steht grundsätzlich gegenüber seinen Arbeitnehmern ein Weisungsrecht zu, mittels dessen er Ort, Umfang und Art der Tätigkeit einseitig nach billigem Ermessen festlegen kann. Seine Befugnisse sind allerdings durch den Arbeitsvertrag begrenzt, so dass er etwa einen anderen Arbeitsort wie z.B. das Home-Office im Grundsatz nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zuweisen darf. Im Fall von Ausnahme- oder Notsituationen wie einer Epidemie ist das Direktionsrecht allerdings erweitert, ohne dass hierfür eine erweiternde Klausel im Vertrag notwendig ist. In dieser Situation darf der Arbeitgeber also auch arbeitsvertraglich nicht vorgesehene Weisungen treffen, soweit dies dem Schutz der übrigen Belegschaft und der Aufrechterhaltung des Betriebs dient und für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine temporäre Freistellung von Arbeitnehmern, die aus Risikogebieten zurückkommen oder nachweislich in engem Kontakt mit Infizierten standen. Zwar steht einer Freistellung grundsätzlich der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Beschäftigung entgegen, allerdings wird dieser vorliegend durch das Gesundheitsinteresse der übrigen Arbeitnehmer verdrängt.
Kann man Dienstreisen noch anordnen bzw. darf der Arbeitnehmer die Reise verweigern?
Auch Dienstreisen können weiterhin angeordnet werden, ohne dass der Arbeitnehmer diese verweigern dürfte. Die Billigkeitsgrenze der Anordnungsentscheidung ist jedoch erreicht, wenn das Reiseziel ein Gebiet ist, für welches das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen hat. Ein Arbeitnehmer, der arbeitsvertraglich zu Dienstreisen verpflichtet ist, kann sich daher, soweit keine Reisewarnungen bestehen, nicht einer Dienstreise widersetzen. Zurzeit wird vor Reisen in die die Provinz Hubei gewarnt. Im Fall von Italien oder anderen europäischen Ländern wurde eine solche Warnung hingegen (noch) nicht ausgesprochen, so dass grundsätzlich die Erledigung einer Dienstreise verlangt werden kann. Allerdings sind Arbeitgeber bereits jetzt gut beraten, generell Reisen einzuschränken und nur bei wichtigen, unaufschiebbaren Terminen auf die Vornahme von Dienstreisen zu bestehen,
Was sollte ein Arbeitgeber ferner beachten?
Den Arbeitgeber trifft gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht. Diese wirkt umso stärker, je konkreter die Bedrohung durch das Corona-Virus wird.
Derzeit dürfte noch keine Verpflichtung bestehen, potentiell von einer Viruserkrankung Betroffene – etwa Rückreisende aus Risikogebieten – bis zum Ablauf der Inkubationszeit nicht im Betrieb zu beschäftigen; dies kann sich aber mit zunehmender Ausbreitung des Virus durchaus ändern. Jedenfalls bei Kenntnis der Erkrankung eines Mitarbeiters oder bei konkreten Hinweisen auf Infektionsrisiken im Betrieb wird der Arbeitgeber gehalten sein, seine Mitarbeiter über das bestehende Infektions- und Erkrankungsrisiko aufzuklären.
Auch dürfte derzeit noch keine Pflicht bestehen, besondere Hygienemaßnahmen, wie z.B. das Verteilen von Handdesinfektionsmitteln, zu ergreifen. Selbst wenn hierzu keine Verpflichtung besteht, ist die Ergreifung entsprechender Maßnahmen indes dennoch ratsam. Dabei ist zu beachten, dass einige dieser Maßnahmen, wie z.B. die Anordnung zur Verwendung von Desinfektionsmitteln am Arbeitsplatz, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslösen können, da sie das Ordnungsverhalten betreffen.
Darüber hinausgehend empfiehlt der Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit den Arbeitgebern, ihre Betriebe auf den Ernstfall vorzubereiten. Es wird etwa unverbindlich vorgeschlagen, bereits im Vorfeld mögliche Ansprechpartner, Zuständigkeiten sowie Organisationsabläufe zu regeln.
Neben der eigenen Pflicht zum Schutz seiner Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern keine Maßnahmen verbieten, die sie zu ihrem eigenen Schutz ergreifen, wie beispielsweise das Tragen eines Mundschutzes.